Eine Vorwärtslandung ist offenbar (theoretisch) möglich, wenn die Rotoren um 75° Winkel aufgestellt sind. Direkt nach vorne geht nicht, da die Rotoren sonst den Boden berühren. Allerdings findet man hierzu kaum Quellen.
Offenbar reicht zum Fliegen der Antrieb eines Motors, der auf beide Rotoren verteilt werden kann. Wenn aber ein Rotor ganz ausfällt, verändert sich ja die ganze Antriebsdynamik. Ob ein Rotor allein (selbst mit voller Power) es schafft, den Flieger in der Luft zu halten habe ich auch noch nicht herausgekriegt. Zumindest dürfte man mit eine gewissen Grundgeschwindigkiet erstmal noch segeln können...
Wenn nur ein Rotor funktioniert, führt das Aufstellen der Rotoren unweigerlich zum Absturz, nicht weil Leistung wegfällt, sondern der Osprey dadurch instabil wird. Heißt: Flugzeugmodus geht, Helikoptermodus geht nicht.
Ich war davon ausgegangen, dass das Fahrwerk den Osprey hoch genug macht, dass die Rotoren den Boden nicht streifen, aber wenn dem nicht so ist, ändert sich einiges. Vor allem: Nach dem Ausfall eines Rotors wäre an eine Landung nicht mehr zu denken, sondern allenfalls an einen kontrollierten Absturz. Vorzugsweise an einem Ort, an dem kein großer Schaden entsteht und nachdem die Besatzung per Fallschirm ausgestiegen ist. Solange die Osprey sich noch in der Luft halten kann und der Funk noch funktioniert, kann die Besatzung sich eine geeignete Stelle abseits wertvoller Flugplätze suchen und Rettungsmannschaften dorthin bestellen. Um, falls das mit dem Aussteigen keine Option ist, einigermaßen heil aus der Sache raus zu kommen, muss verhindet werden, dass sich das Flugzeug bei der Landung überschlägt. Dazu scheint mir eine horizontale Bauchlandung der vielversprechendste Ansatz zu sein. Wenn Deine Leute Glück haben, reißt es die Rotorblätter einfach ab, sobald sie den Boden berühren und der Rest ist ruppig aber verkraftbar. Eventuell wäre sogar das Osprey zu bergen. Wenn sie Pech haben und die Rotorblätter sich eingraben ist mit schwersten Verletzungen, Todesfällen und - je nach Umgebung - auch erheblichem Flurschaden zu rechnen.
Du willst vermutlich wissen, wie ich zu dieser Einschätzung komme: Der Versuch, den verbleidenden Rotor aufzustellen würde einen Überschlag geradezu provozieren. Das Fahrwerk würde ich drin lassen, weil ich nicht weiß, was Trümmerteile des Rotors damit anstellen würden, und wenn bei hohem Tempo eines der "Beine" wegen Schäden an der Hydraulik nachgibt oder sogar ganz abgerissen wird, würde sich der Osprey überschlagen.
Zur Gyrokopterlandung: Ein
Gyrokopter (auch Tragschrauber oder Autogyro genannt) ist im Prinzip ein Hubschrauber, dessen Rotor nicht durch einen Motor angetrieben, sondern durch den Luftwiederstand in Rotation versetzt. Auch diese Rotation erzeugt ein gewisses Maß an Auftrieb, aber nur, solange der Gyrokopter Schub nach vorne hat. Als Gyrokopter ausgelegte Luftfahrzeuge (wir reden hier von ultra-leicht Flugzeugen für Hobbyflieger) erzeugen diesen Schub meist mit Druckpropellern. Ein Hubschrauber kann bei einem Motorausfall Restvortrieb nutzen und auch einen Teil der bei Sinken freigesetzten kinetischen Energiepotentiale in Vortrieb umsetzen.
Inwieweit das für einen havarierten Osprey eine Option ist, hängt von der Art des Rotorschadens ab. Wenn der Rotor intakt ist und sich drehen kann, aber aufgrund eines Schadens z.B. in der Antriebswelle einfach keinen Antrieb mehr hat, kann das mit der Gyrokopterlandung funktionieren. Wenn Blätter abgerissen sind, oder der Rotor sich nicht mehr drehen kann, funktioniert das nicht. Außerdem muss ein Hubschrauber bei einem Motorausfall eine gewisse Mindesthöhe haben, um eine Gyrokopterlandung versuchen zu können, der Pilot braucht Zeit um Reagieren und die Kontrolle wiedererlangen (zur Autorotation müssen die Rotoren ganz anders eingestellt sein als beim angetriebenen Flug) zu können. Das ist ein sehr schwieriges Manöver und Kontrolle ist bei diesem Notfallmanöver ein sehr relativer Begriff. Es reicht (wenn man Glück hat), um bei der Landung einem Hindernis auszuweichen, aber nicht um sich eine Stelle ohne Hindernisse zu suchen. Das ist auch der Grund warum ich die Überlebenschancen bei einer Bauchlandung im Flugzeugmodus für größer halte.
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Ausblick zum Himmel.
(Karlheinz Deschner)